Aktuelles
Pressemitteilung der BIBS-Ratsfraktion vom 18.01.2007
Allgemeines
Der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg
Der Flughafen Braunschweig nahm 1935 seinen Betrieb auf. Nach dem II. Weltkrieg wurde der Flugbetrieb 1955 wieder aufgenommen.
12 Jahre später erhielt der Flugplatz eine asphaltierte Start- und Landebahn mit insgesamt 1560m Länge.
Dieses war Anlass für den VW Konzern, die Konzern eigene Flugzeugflotte in Braunschweig zu stationieren.
Im gleichen Jahr wurde auch das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig beheimatet und hat bis heute seinen Sitz in dieser Stadt.
Bereits 1936 siedelte sich die Deutsche Forschungsanstalt für Luftfahrt (DFL), eine Vorgängerin
des heutigen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), am Flughafen an.
Die Gesellschafterinnen des heutigen Flughafens Braunschweig-Wolfsburg sind:
Stadt Braunschweig | 42,6% |
Land Niedersachsen | 17,8% |
Volkswagen AG | 17,8% |
Stadt Wolfsburg | 17,8% |
Landkreis Gifhorn | 2,0% |
Landkreis Helmstedt | 2,0% |
Der Flughafen wird heute als Verkehrsflughafen ohne jede Einschränkung geführt. Im Verlauf
der Jahre ist die Siedlungsentwicklung der umliegenden Ortschaften Bienrode, Waggum, Hondelage, Querum, Kralenriede und
Bevenrode vorangeschritten. Der Flughafen liegt heute im Zentrum zwischen diesen Orten und würde so an dieser Stelle
unter heutigen Kriterien keine neue Betriebsgenehmigung erhalten.
2001 wurde die Start- und Landebahn um 120m nach Westen verlängert. Seither können Flugzeuge des Typus A3XX auch
in Braunschweig landen. Im Planfeststellungsbescheid vom 18.10.2000 wurde formuliert, dass "(...) die allgemeine Entwicklung
des Flugverkehrs in der Zukunft ohne Bahnverlängerung gedeckt [ist]".
Hauptnutzer des Flughafens ist die Volkswagen AG mit mehr als 50% der kommerziellen Flüge und
geschätzt 60%-70% des Passagieraufkommens. Der Anteil an Flugaktivitäten des DLR liegt bei ca. 5%.
Der Flughafen macht jährlich einen Betriebsverlust von ca. 1,8 Mio. Euro, die sich die Partner mit
Ausnahme der Landkreise teilen.
Der Ausbau des Flughafens Braunschweig-Wolfsburg
Ein konkreter Grund ist nicht zu eruieren, warum bereits im Jahre 2000 ein Gutachten zur weiteren Verlängerung der Start-
und Landebahn durch die Flughafengesellschaft in Auftrag gegeben wurde. Ziel war anfangs eine Verlängerung auf 4.000m.
Ende 2003 wurden dann im Raumordnungsverfahren 2.600m gefordert und mit Aufnahme des Planfeststellungsverfahrens im Juni 2005
schließlich mindestens 2.300 m beantragt.
Die Flughafengesellschaft prüfte, ob ein weiterer Ausbau als regionaler Verkehrsflughafen mit
EU-Mitteln möglich wäre und erhielt dazu eine Absage. Seit dem wurde der Ausbau der Start- und Landebahn damit
begründet, dass diese primär für die Forschung eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung hat. Der Anteil
der Geschäftsverkehr hat einen hohen Anteil. In diesem Zusammenhang entstand der Name "Forschungsflughafen". Mit dieser
Argumentation hofft die Flughafengesellschaft, doch noch EU-Mittel für den Ausbau zu erhalten.
Der Flughafen als Wirtschaftsfaktor
Der Ausbau der Start- und Landebahn in 2001 sollte den neuen Airbus Modelle die Erreichbarkeit Braunschweigs ermöglichen.
Heute nutzen die A319 von VW und die A320 der DLR problemlos die gegebene Flughafen-Infrastruktur.
Der beantragte Ausbau wird damit begründet, dass sich Betriebe mit unmittelbarem Bezug zum Flughafen
oder Betriebe, die sich direkt oder indirekt mit dem Bau von Navigationssystemen oder Flugzeugtechnik befassen, ansiedeln.
Diese werden zusammenfassend als so genanntes Avionik-Cluster bezeichnet.
Erwartet wird von Seiten der Stadt Braunschweig, dass in diesen Branchen bis zu 1.000 neue Arbeitsplätze entstehen.
Inwieweit diese Expansion vom Ausbau der Start- und Landebahn direkt abhängig ist, wurde bisher (auch nicht in der
Anhörung zur Planfeststellung) nicht dargestellt.
Die Gewerbegebiete rund um den Flughafen sind seit Jahren verfügbar und werden weiter erschlossen.
Die Nachfrage nach Gewerbeflächen ist minimal. Festzuhalten ist aber, dass der Standort mit direktem Autobahnanschluss
an die Bundesautobahn A2 verkehrsgünstig liegt.
Nur insgesamt 5 Firmen nutzen dabei unmittelbar den Flughafen. Insgesamt können alle Firmen nach
unserer Bewertung auch ohne eine Verlängerung der Start- und Landebahn ihren Aufgaben zufriedenstellend nachkommen.
Der Volkswagen Konzern hat ein Interesse an der Verlängerung der Start- und Landebahn, weil damit
Ultralangstreckenflüge non-stop von Braunschweig aus möglich wären. Diese - eher seltenen - Flüge
müssten derzeit vom ca. 60 km entfernten Flughafen Hannover starten, wo auch der VW Airbus A319 stationiert ist.
Von den rund 27 Firmen1 angesiedelten Firmen, sind bei genauer Betrachtung nicht alle direkt vom
Flugbetrieb abhängig:
abhängig vom direkten Flugbetrieb | unabhängig vom direkten Flugbetrieb |
1 Sicherheitsdienst/Flottenmanagement | 6 Unternehmen für Luftfahrttechnik und Flugsicherheit |
2 Flugschulen | 1 Sicherheitstechnik |
1 Ausrüstungs- und Wartungsfirma (für Flugzeuge) | 1 Beratungsgesellschaft |
2 Logistikunternehmen, eins davon nur per Flugzeug (VW Air Services) | 1 Mediziner (Fliegerärztliche Untersuchungsstelle) |
| 3 Softwarefirmen |
| 1 Verlag |
| 1 Online Einzelhändler |
| 2 Gastronomieunternehmen |
| 1 (Verkehrs-)Verein |
| 4 Ingenieurbüros |
insgesamt 6 Firmen | insgesamt 21 Firmen |
Der Flughafen als Forschungsmotor
Das DLR ist die größte Forschungseinrichtung am Flughafen. Ein weiterer Standort des DLR ist in Oberpfaffenhofen,
wo ebenfalls ein Regionalflughafen besteht, der eine Start- und Landebahn von 2286m aufweist. Dort ist die Flotte des DLR
stationiert.
Der Ausbau des Flughafens wird unter anderem damit begründet, auch in Braunschweig Testflüge
der DLR durchführen zu können. Die DLR hat einen A320 als Testflugzeug erworben, der in Braunschweig stationiert
werden soll. Der A320 kann bei der derzeitigen Bahnlänge mit einer im Vergleich zum abzulösenden Testflugzeug
ATTAS (eine VFW614) mit 50% höheren Nutzlast und doppelter Reichweite fliegen. Mit dem A320 sollen aber theoretisch
Extremanforderungen getestet werden, für die im Einzelfall eine längere Start- und Landebahn erforderlich wäre.
Die Frage bleibt offen, warum diese wenigen Flüge nicht am Standort Oberpfaffenhofen oder woanders durchgeführt
werden können, wo bereits alle Voraussetzungen bestehen? Bisher wurde das Testflugzeug nicht umgebaut.
Der Flughafen im Siedlungsgebiet der Stadt Braunschweig
Der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg liegt zentral zwischen verschiedenen Vororten. Der geplante Ausbau in Richtung Osten
erfolgt in ein Waldgebiet, den Querumer Forst, hinein. Eine Verlängerung der Start- und Landebahn in Richtung Westen
ist nicht möglich, weil der Flughafen bereits an der Siedlungskante von Bienrode angrenzt.
Für die Verlängerung muss das alte Waldgebiet gerodet werden. Auch wenn umfangreiche
Kompensationsmaßnahmen dafür erfolgen müssen, geht ein Gebiet mit hohem Naherholungswert verloren.
Ein Anstieg der Flugbewegungen ist aufgrund der siedlungsbedingten Lage des Flughafens nicht
wünschenswert. Damit verbunden wäre ein Grundstückswertverlust in den umliegenden Orten. Darüber
hinaus sinkt die Attraktivität des Wohnstandortes in diesen Ortsteilen.
Der Flughafen in Konkurrenz zum Flughafen Hannover
Eine steigende Bedeutung als Verkehrsflughafen für den nationalen oder gar internationalen Flugverkehr ist nicht zu erwarten.
Der nur ca. 60km entfernte Flughafen Hannover ist bei weitem nicht ausgelastet, so dass es keine Verlagerungseffekte gibt.
Hinzu kommt, dass Hannover im nationalen oder internationalen Flugverkehr keine hohe Bedeutung hat.
Als wichtiger Knotenpunkt im deutschen Eisenbahnnetz für Fernreisende ist Hannover strategisch besser erreichbar und
deshalb auch für Charterfluggäste deutlich attraktiver.
Für den kostendeckenden Flughafenbetrieb sind nach einer im Auftrag der EU-Kommission erstellten
Analyse jährlich 0,5 bis 2 Mio. Fluggäste erforderlich. Braunschweig erreicht diese Fluggastzahlen nicht.
Die Studie der Deutsche Bank Research, Ausbau von Regionalflughäfen: Fehlallokation von Ressourcen2 weist
darüber hinaus darauf hin: "Die bestehenden Über-kapazitäten an Flughafeninfrastruktur haben Sunk-Cost-Charakter.
Da ein bereits gebauter Flughafen kaum anderweitig genutzt werden kann, ist der Betrieb für den Eigentümer kurzfristig
auch dann rational, wenn durch die Einnahmen nur die Betriebskosten erwirtschaftet werden. Auf die Deckung der ohnehin bestehenden
Kapitalabschreibungen wird notfalls verzichtet. Da es sich in den meisten Fällen um öffentliche Eigentümer
[Flughafen Braunschweig-Wolfburg insgesamt 82,2%] handelt, die faktisch nicht Konkurs gehen können, müssen
darüber hinaus noch nicht einmal die Betriebskosten gedeckt sein." Der jährliche Verlust des Flughafen
Braunschweig-Wolfsburg liegt derzeit bei 1,8 Mio. Euro.
Weiter heißt es: "Politiker werden nur ungern eine Fehlinvestition eingestehen oder einen öffentlichen
Betrieb schließen, da hierdurch Arbeitsplätze verloren gingen. Aufgrund dieser Interessenlage kann ein
Subventionswettlauf zwischen benachbarten Flughäfen entstehen, um eine Fluggesellschaft zum Anfliegen des jeweiligen
Flughafens zu bewegen. Dieser Subventionswettlauf drückt sich in niedrigen Landegebühren weit unter den
tatsächlichen Kosten und in Zuschüssen für neue Flugverbindungen (so genannte Marketingzuschüsse) aus."
Die abschließende Zusammenfassung des Papiers konstatiert: "Der geplante Ausbau der meisten Regionalflughäfen
bedeutet eine Verschwendung von knappen öffentlichen Mitteln, die dringend für andere Infrastrukturprojekte
benötigt werden. Nur einige wenige Regionalflughäfen lassen sich wirtschaftlich betreiben. Die meisten von ihnen
bieten kein Entlastungspotential für größere Flughäfen, erreichen nicht die kritische Größe,
kannibalisieren sich gegenseitig und betreiben zudem einen Subventionswettlauf. (...) Die zu Verkehrsflughäfen ausgebauten
Regionalflughäfen stellen in erster Linie Prestigeobjekte für ´Regionalfürsten` dar."
Der Flughafen im Widerspruch zu verkehrs- und umweltpolitischen Zielen
Die Rodung des alten Waldgebietes sowie die Zerstörung des Vogelschutzgebietes zeigen wieder einmal die ökonomische
Dominanz gegenüber ökologischer Vernunft. Die Ausgleichsmaßnahmen können ein Jahrhundert altes Waldgebiet
nicht ersetzen.
Darüber hinaus ist es inkonsequent, über die Minderung von Feinstaubbelastungen, die Minderung vom Ausstoß
fossiler Brennstoffe und der Reduzierung von Treibhausgasen auf Bundesebene zu diskutieren und ein Kyoto Protokoll zu
unterschreiben, wenn die nationalen Strategien durch irrsinniges regionales Handeln konterkariert werden.
Hier muss das inkonsequente Handeln der großen Volksparteien gerügt werden. Einerseits verkündet der
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel umweltpolitische Ziele, die im selben Atemzug durch aktives Handeln der SPD Ratsmitglieder
untergraben werden. Selbst unsere Bundeskanzlerin Frau Merkel fordert die Erreichung der klimapolitisch vereinbarten Ziele
des Kyoto Protokolls ein, die von den verantwortlichen CDU Ratsmitgliedern schlicht ignoriert werden.
Wie das Germanwatch Briefing Papier: Die Subventionierung des Flugverkehrs abschließend zusammenfasst,
ist es "ernüchternd (…) festzustellen, dass sich trotz der bekannten und von der Bundesregierung anerkannten
Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs keine Umkehr in der breit angelegten Förderpolitik des Flugverkehrs vollzogen hat.
Eine wirtschaftlich kränkelnde Branche erhält weiterhin in hohem Umfang staatliche Unterstützung und ist
auf dem besten Weg, sich in Zukunft zum Dauersubventionsempfänger zu entwickeln. Durch diese Förderung weist der
Flugverkehr zusätzliches Wachstum auf, was die nach Wachstum dürstende Politik im Zirkelschluss dazu verleitet,
weitere Subventionen in den Luftverkehr zu leiten, ohne die Verantwortung für die Folgen dieses Handelns hinsichtlich
Schäden durch die gleichzeitig vorangetriebene Klimaänderung übernehmen zu wollen."
Fazit
Der Planfeststellungsbeschluss liegt vor. Die Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau werden Klage gegen den Beschluss
einreichen. Die Verfahren werden sich mit Sicherheit einige Jahre hinziehen.
Der Ausbau der Start- und Landebahn sowie die dazugehörigen Infrastrukturmaßnahmen
(einschließlich der Gewerbegebiete) sollen ca. 35 Mio. Euro umfassen. Noch immer wird daran gedacht, einen Teil
der Kosten über EU-Gelder einzuwerben. Die Anträge an die EU können erst mit der Rechtssicherheit des
Planfeststellungsbescheids beantragt werden.
Die EU wird diesem Projekt hoffentlich genauso eine Absage erteilen, wie die BIBS-Ratsfraktion im Braunschweiger Stadtrat.
Ein aus vielen dargelegten Gründen unsinniges Projekt, für das keine plausible Wirtschaftlichkeitsdarstellung
vorliegt, kann keine Unterstützung gewährt werden.
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